Tierschutzfall Mia, Tanja, Ronja und Manuel
Eine schwierige Aktion. Wie bringt man vier scheue und völlig verwahrloste Esel anständig in einen Transporter?
Einen älteren Hengst – zumindest theoretisch kannte er ein Halfter. Eine ältere Stute – knochendürr mit 20 cm langen Schnabelhufen, völlig panisch und lahmend. Dann ihre zwei Töchter, die Eine zwei jährig, offensichtlich tragend, die Andere knapp ein Jahr alt.
Nach zwei Stunden einfangen, halten und schieben waren sie endlich im Transporter. Wir, und auch die Esel am Ende unserer Kräfte. Aber, es gab keine andere Möglichkeit, die Esel mussten weg.
Eine Amtstierärztin hatte angerufen und gefragt, ob wir vier verwahrloste Esel aufnehmen könnten. Anwohner würden sich über die Lärmbelästigung beschweren, weil die Esel andauern rufen würden (die Anwohner hatten sich nicht etwa über die miserable Haltung beschwert, nur über den Lärm). Die Ärztin meinte, sie sehe keine Möglichkeit bei diesem Besitzer, dass sich die Situation für die Esel verbessern könnte. Auf ihren Druck hin erklärte sich dieser bereit, seine Tiere wegzugeben. Ein kurzfristiger Termin wurde abgemacht, und so fuhren wir hin, um die Esel abzuholen.
Während des siebenstündigen Transportes verhielten sich die vierbeinigen Passagiere äusserst ruhig. Am meisten Sorge bereitete uns die tragende Stute. Wie würde sie diesen Stress überstehen?
Im Eselheim angelangt trauten sich die verängstigten Langohren nicht aus dem Transporter (zweites Bild – Mitte vorn Mia, hinter ihr Manuel, im Transporter Mitte Ronja und rechts Tanja). Endlich, nachdem wir eine Heustrasse von der Rampe bis in den Quarantänestall gestreut hatten, war der Hunger doch zu gross und sie folgten der Heuspur.
Am Morgen des dritten Tages war die Überraschung gross. Ein kleines, dunkelgraues Etwas lag im Stroh, liebevoll bewacht von der Mamma. Die junge Stute, wir nannten sie Tanja, hatte – völlig überraschend früh für uns – ein gesundes Fohlen zur Welt gebracht. Wir nannten den kleinen Hengst «Balu». Die einjährige Schwester von Tanja bekam den Namen «Ronja», der Hengst wurde «Manuel» getauft.
Klein Balu entwickelte sich prächtig. Tanja war eine wunderbare Mutter, und «Tante» Ronja kümmerte sich ganz liebevoll um ihren Neffen. Der Zufall wollte es, dass wir einen Monat später ein mutterloses Fohlen aufnahmen, um den kleinen Hengst mit der Flasche aufzuziehen. Das winzig kleine Hengstchen kam mehr tot als lebendig hier an. Die ersten Wochen waren kritisch, jedoch der Kleine, wir nannten ihn Finn, überlebte. Als er stark genug war, wagten wir eine Vergesellschaftung mit der Familie von Tanja. Es gelang viel besser als wir erwartet hatten. Tanja schloss den mutterlosen Finn gleich in ihr Herz. Sie hätte ihn sogar bei sich trinken lassen, aber Finn war wohl von den Abwehrschlägen seiner Mamma dermassen verängstigt, dass er sich nicht so nahe ans Euter traute. So bliebe er eben in der Gruppe und bekam seine Milch aus dem gewohnten Fläschchen. Balu fand es anfänglich schon etwas komisch, einen so seltsamen Bruder zu bekommen. Doch es dauerte nicht lange, da spielten und tobten die Beiden miteinander. Mit dabei war oft die junge Ronja, die viel nachholen musste. Die Familie verbrachte ein wunderbares Jahr zusammen. Als die beiden Hengstchen alt genug war, mussten sie kastriert werden. Weil bei Balu ein Hoden in der Bauchhöhle verblieben war, war ein Eingriff in der Tierklinik notwendig.
Die Stuten Tanja und Ronja fanden ein gutes Plätzchen im Schwarzwald.
Ebenso Papa Manuel (drittes Bild), der als Wallach, nachdem seine Hufe saniert waren, ein gutes Plätzchen bei einem gleichaltrigen Wallach fand.
Die ältere Stute, wir nannten sie „Mia“, blieb unser Sorgenkind. Währen die jungen Stuten bald merkten, dass sie von uns nichts zu befürchten hatten, blieb Mia unglaublich ängstlich und scheu. Ihre schrecklichen Hufe mussten dringend behandelt werden, aber, wenn man nur in ihre Nähe kam, begann sie vor Angst zu zittern, bekam Durchfall und Schweissausbrüche. Jedoch, es half nichts, wir mussten an die Hufe, Mia konnte kaum gehen. Der Tierarzt gab ihr eine Beruhigungsspritze, schlussendlich die doppelte Dosis als normal. Dennoch mussten drei Leute die panische Eselin festhalten, damit der Hufschmied seine Arbeit verrichten konnte, so gut es eben ging.
Als wir die Esel abholten, antwortete der damalige Besitzer auf die Frage, warum er denn der Stute die Hufe nie geschnitten habe, die habe sich so dumm angestellt, dass er jedesmal drei Männer gebraucht hätte. Sie hätten die Eselin auf den Boden werfen müssen zum Hufe schneiden. Das wäre im dann zu mühsam geworden.
Ganz, ganz langsam, mit viel Vertrauensarbeit und Streicheleinheiten gelang es uns, Mia diese panische Angst vor der Hufpflege und von den Menschen allgemein zu nehmen. Als Mia ein halbes Jahr bei uns war, brachte sie in einer Sturzgeburt ein totes Fohlen zur Welt. Danach ging es ihr gesundheitlich deutlich besser.
Als Pateneselin wird Mia bei uns bleiben. Sie ist vor allem psychisch so stark angeschlagen, dass eine Umplatzierung für sie nicht mehr in Frage kommt.